Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung brauchen neue Perspektiven

Politische Debatte KOSTBAR zeigt kontroverse Positionen der Bundestagsparteien auf

Vor rund 80 Teilnehmern aus Politik, Industrie, Verbänden und Verbraucherorganisationen diskutierten die Bundestagsabgeordneten Harald Ebner (B90/Die Grünen), Carina Konrad (FDP), Rainer Spiering (SPD) und Albert Stegemann (CDU) sowie der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Tiefkühlinstituts Markus Mischko (iglo GmbH) unter der journalistischen Leitung von Ute Welty in der „KOSTBAR – Die Lebensmitteldebatte am Morgen“ über „Zukunftspolitik“ für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Lebensmittelbranche. Die an vielen Stellen sehr kontrovers geführte Debatte offenbarte, dass die Parteien im Bundestagswahljahr 2021 für die agrarpolitischen Herausforderungen in der nächsten Legislatur-periode sehr unterschiedliche Lösungsansätze verfolgen.

Der Zugang zu qualitativ hochwertigen Rohstoffen in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen für die Lebensmittel-verarbeitung ist die wichtigste Voraussetzung für die Ernährungs-sicherheit und den Erhalt einer starken Tiefkühlwirtschaft in Deutschland. Doch wie kann die regionale Landwirtschaft in Deutschland erhalten und gestärkt werden, damit sie weiterhin ausreichend Rohstoffe anbaut, den Schutz der natürlichen Ressourcen und des Klimas fördert und ausreichende Einkommen erzielt? Darauf gaben die Abgeordneten auf dem digitalen Podium unterschiedliche Antworten.

Gesellschaftsvertrag und gemeinsamer Aufbruch
Für einen gemeinsamen Aufbruch plädierte Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, „denn weitermachen wie bisher, nämlich billig auf Masse zu produzieren, ist keine Option, da die sozialen und öko-logischen Produktionskosten für die Gesellschaft viel zu hoch sind und diese Kosten gar nicht im Produktpreis abgebildet sind.“
Dafür brauche es nun Umbaupfade für die Landwirtschaft, die eine langfristige Planungssicherheit erlauben und Einkommensperspektiven schaffen, denn die landwirtschaftlichen Betriebe könnten sich nicht von einem Jahr zum anderen auf immer wieder neue Regelungen einstellen. Politisch sieht Ebner die saisonale und regionale Versorgung mit Lebensmitteln als wünschenswert an.

Für einen neuen „Gesellschaftsvertrag“ setzte sich Albert Stegemann, Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein, um dezentralisierte Strukturen in der Landwirtschaft und in der Verarbeitung zu erhalten, nachhaltige Produktionsansätze zu finanzieren und so die Versorgung mit Roh-stoffen zu sichern. „Wir brauchen innovative Finanzierungsmodelle für die Bauern, um höhere Kosten zum Beispiel durch die Umgestaltung in nachhaltige Produktionsprozesse abzufedern. Die Exportorientierung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft bleibt wichtig. Ein wesentlicher Aspekt wird auch die noch stärkere Bewerbung des Agrarstandorts Deutschlands im Ausland sein.“

Dem widersprach Rainer Spiering, Sprecher der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion. „Jahrelange Weltmarktorientierung und Anspruch auf Kostenführerschaft sind ein Irrweg, der sich jetzt für die landwirtschaftlichen Betriebe rächt.“ Wichtiger sei, dass „Lebensmittel den Preis bekommen, den sie in der Herstellung verdienen“.
Die Industrie müsse ihren regionalen Vertragslandwirten bessere Angebote machen und mit vernünftigen Einstandspreisen und langfristigen Verträgen Garantien geben. Als politisch sinnvoll sieht er Subventionen für qualitativ hochwertige Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung sowie angemessene Arbeitnehmer-einkommen an, so könnte die Ausgabebereitschaft der Konsumenten für Lebensmittel erhöht werden.

„Wir haben es in der Hand, ob wir den Wandel in der Landwirtschaft hinbekommen oder ob es einen Bruch gibt“, formulierte Carina Konrad, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft im Bundestag für die FDP. Sie sieht die Landwirtschaft an vielen Stellen schon viel weiter als die Politik und auf dem Weg zu nachhaltigeren Alternativen. Dabei müsse es aber nicht immer Bio sein. Allerdings „muss Landwirtschaft wirtschaftlich arbeiten, um nachhaltig zu produzieren, sonst verlagert sie sich zunehmend ins Ausland“. Wichtig sei auch ein wertschätzender Umgang mit der Landwirtschaft, anstatt die Interessen der Gesellschaft und der Landwirte gegeneinander auszuspielen.

Regionale Landwirtschaft fördern
Die Perspektive der Lebensmittelverarbeiter brachte Markus Mischko, stellvertretender dti-Vorsitzender und Geschäftsführer der iglo GmbH, in die Diskussion ein: „Für die Partnerschaft mit den Landwirten brauchen wir Perspektiven, um weiter Rohstoffe regional und werksnah zu erhalten. Dafür sind EU-weite Lösungen erforderlich, um den land-wirtschaftlichen Betrieben Planungssicherheit zu geben“, so Mischko. Auch die Wertschätzung für Lebensmittel müsse erhöht werden, um entlang der gesamten Kette mehr Wertschöpfung zu erhalten, denn das entscheidende Kaufkriterium sei nach wie vor der Preis.

In ihrem Schlusswort erinnerte dti-Geschäftsführerin Dr. Sabine Eichner noch einmal an die Sonderstellung der Ernährungsindustrie und insbesondere auch der Tiefkühlbranche zwischen Landwirtschaft und Handel. Die öffentlichen Debatten seien häufig von einer einseitigen Fokussierung auf die Landwirtschaft geprägt, aber um ganzheitliche Lösungen zu finden, müssten aber alle Teile der Lebensmittelkette gleichberechtigt angesprochen und in den Dialog miteinbezogen werden.

dti stellt erstmals Wahlprüfsteine der Tiefkühlwirtschaft vor
Um diesen Dialog im Bundestagswahljahr 2021 mit einem eigenen Beitrag zu unterstützen, hat das dti zum ersten Mal in seiner Geschichte Wahlprüfsteine für die Tiefkühlindustrie erarbeitet – einem Wirtschafts-zweig mit einem Umsatz von rund 15 Milliarden Euro. In „10 Prüfsteinen“ werden die wichtigsten politischen Schwerpunkte im Bereich Energie-, Klima-, Wirtschafts- und Ernährungspolitik für die Tiefkühlbranche dargestellt und zentrale Forderungen für eine zukunftsfähige Tiefkühl-wirtschaft an die Politik formuliert. Mit den Wahlprüfsteinen legt das dti als erster Verband der Ernährungsindustrie im Wahljahr 2021 einen umfassenden Überblick über die Themen vor, die die Branche im Wahljahr 2021 und darüber hinaus bewegen.

KOSTBAR – Die Lebensmitteldebatte des Deutschen Tiefkühlinstitut
Das Deutsche Tiefkühlinstitut e.V. ist seit mehr als 60 Jahren die Kommunikations- und Informationsplattform der Tiefkühlwirtschaft. Die Branche zählt zu den fünf größten Teilbereichen der Lebensmittelwirtschaft. Die Tiefkühlung bewahrt durch ernte- und fangfrische Verarbeitung das Kostbarste der Lebensmittel: Vitamine und Nährstoffe für unsere Ernährung. Mit der Frühstücksdebatte KOSTBAR leistet das Deutsche Tiefkühlinstitut einen Beitrag zum Austausch über aktuelle Ernährungsthemen mit Politik und Gesellschaft.

Download:
Pressemeldung
dti-Wahlprüfsteine 2021

Kontakt:
Deutsches Tiefkühlinstitut e.V.
Dr. Sabine Eichner
Tel.: +49 (0)30 280 93 62-0
Mail: eichner@tiefkuehlkost.de