Von Sensorik bis KI

Berlin, xx. Dezember 2025. Rund 70 Teilnehmer aus Qualitätsmanagement, Lebensmittelrecht und Produktentwicklung trafen sich am 3. Dezember 2025 zum 16. dti-Qualitätsforum unter dem Motto „Produktentwicklung, Sensorik und Recht im Dialog mit dem Qualitätsmanagement“ in Dortmund. Im Fokus standen aktuelle Themen wie der neue EU-Rechtsrahmen für Neue Genomische Techniken, Praxistipps für die Lebensmittelsicherheitskultur, Sensorik als Erfolgsfaktor in der Produktentwicklung und KI-gestützte Qualitäts- und Reklamationsprozesse.
„Qualität entscheidet über den Erfolg von Lebensmitteln – doch sie entsteht nur, wenn drei Elemente ineinandergreifen: engagierte Mitarbeitende, die Lebensmittelsicherheit und Verbrauchererwartung über jede Hierarchie-Ebene leben, sorgfältig durchdachte Prozesse und moderne Technologien wie Digitalisierung und KI. Das diesjährige dti-Qualitätsforum hat diese Aspekte eindrucksvoll in den Vorträgen widergespiegelt“, sagte Juliane Zander, Referentin für Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit im dti. „Ein herzliches Dankeschön an unseren dti-Ausschuss für Qualitätsmanagement und an alle Aussteller und Partner, die das dti-Qualitätsforum auch in diesem Jahr tatkräftig unterstützt haben!“
EU-Insights live aus Brüssel
Die Live-Zuschaltung von Klaus Berend, Director for Food Safety, Sustainability and Innovation in der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (GD SANTE) aus Brüssel gab Einblicke in die komplexen und oft langwierigen Entscheidungsprozesse im „Maschinenraum" der EU. Anhand aktueller Gesetzgebungen zu Pflanzenschutzmitteln, Neuen Genomischen Techniken (NGTs) und neuartigen Lebensmitteln wurde deutlich, wie sorgfältig fundierte und gesellschaftlich akzeptierte Lösungen entwickelt werden, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Land- und Ernährungswirtschaft stärken als auch den gesellschaftlichen Anforderungen an Transparenz und Kennzeichnung gerecht werden. Berend erläuterte, wie NGTs die Landwirtschaft unterstützen könnten. So könnten Pflanzen beispielsweise gezielt klimaangepasst gezüchtet und resistent gegen Krankheiten wie die Kartoffelfäule gemacht werden. Nur wenige Stunden später einigte sich der EU-Rat mit dem Europäischen Parlament vorläufig auf eine Reihe von Vorschriften, mit denen ein Rechtsrahmen für neue genomische Verfahren geschaffen wird.
Lebensmittelsicherheitskultur: Vom Wert zur gelebten Praxis
Andrea Dreusch, CPM Unternehmensberatung, und Natália Fava, Bofrost, gaben gemeinsam inspirierende Einblicke in die Umsetzung einer „Lebensmittelsicherheitskultur“ in Unternehmen. Eine starke Lebensmittelsicherheitskultur, getragen von gemeinsamen Werten und einheitlichen Verhaltensweisen aller Mitarbeitenden, senkt Fehler- und Rückrufquoten nachhaltig, so die beiden Referentinnen, und ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement.
Natália Fava zeigte praxisnah, wie Lebensmittelsicherheitskultur im unternehmerischen Alltag bei Bofrost verankert wird: Jeder neue Mitarbeiter erhält schon beim Onboarding Informationen zu Lebensmittelmittelsicherheit, sowie Zugriff auf E-Learning-Tools und obligatorische Trainings. Interne Qualitätszirkel mit Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens nutzen die Erfahrung der Kollegen und stärken Verantwortungsbewusstsein. Besonders wichtig sei dabei, dass Ziele klar und „smart“ definiert werden, damit Fortschritte messbar sind.
Andrea Dreusch unterstrich, dass diese Haltung auch von der Unternehmensführung aktiv gelebt werden müsse. Führungskräfte sollten direkt vor Ort sein, um die Lebensmittelsicherheitskultur zu verankern, kontinuierliche Prozesse zu etablieren und sie als gemeinsamen Wert in der Organisation zu stärken. „Lebensmittelsicherheitskultur stellt den Menschen in den Mittelpunkt und ist vor allem eine Frage der Führung“, so Dreusch.
Sensory Marketing als Produkt-Gamechanger
Robert Möslein, Isi Sensory Futures, demonstrierte, wie wichtig Textur und Sensorik für die Produktentwicklung sind: „Erfolgreiche Produkte verbinden Mundgefühl, Verbraucherwahrnehmung und Marketing.“ So genannte „Sensory Claims“ wie „außen knusprig, innen weich“ seien entscheidende Hebel, um Kundenerwartungen gezielt aufzugreifen. Ein und dieselbe Rezeptur werde je nach Kontext anders wahrgenommen. „In übersättigten Kategorien kann das Schaffen eines einzigartigen sensorischen Erlebnisses ein Gamechanger sein“, so Möslein. „Die faszinierendsten Momente entstehen durch sichtbare Veränderungen: ein schmelzender Kern, eine auseinanderziehbare Textur, ein glänzendes, tropfendes Finish. Solche Signale vermitteln Frische, Genuss und Handwerkskunst. Je mehr sensorische Schichten, desto befriedigender der Biss.“ Er erläuterte den subjektiven Qualitätsbegriff der Verbraucher und betonte, das Produkt müsse letztlich „liefern“, d. h. sensorisch überzeugen. Sensory Marketing sei dabei das „Übersetzungssystem“, sagte Möslein. „Texturen sind der Schlüssel zu Akzeptanz und Genuss, Kontraste steigern das Genusserlebnis.“
Qualität 4.0: Digitale Zwillinge und KI
Christian Krupitzer, Universität Hohenheim, stellte das Konzept der so genannten „digitale Zwillinge“ vor – virtuelle Abbilder physischer Produktionsprozesse, die in Echtzeit Daten aus der realen Welt nutzen. Er erläuterte, wie digitale Zwillinge eingesetzt werden können, um Abläufe besser zu überwachen, Optimierungspotenziale zu erkennen und Entscheidungen datenbasiert zu treffen. „Digitale Zwillinge eröffnen enorme Chancen für KI-gestützte Qualitätskontrolle, Prozessoptimierung und Reformulierung. Gleichzeitig bringen sie komplexe Herausforderungen mit sich: Es müssen große Datenmengen erhoben, strukturiert und für KI-Modelle aufbereitet werden“, erläuterte Krupitzer.
Jonathan Becker, Peter König-Slickers und Matthias Zinram von Modus Consult zeigten mit dem KI-Bot „Frosty“, wie modernes Reklamationsmanagement durch den Einsatz von KI weitgehend automatisiert und deutlich effizienter gestaltet werden könnten: „Verbraucher melden zum Beispiel einen Vorfall, und der Chatbot kann das Anliegen strukturiert erfassen, klassifizieren sowie in Echtzeit an die zuständigen Stellen im Unternehmen weiterleiten“, erläuterten die Referenten. Auf dieser Basis könnten automatisiert weitere Maßnahmen eingeleitet werden, etwa eine vertiefte Prüfung durch Mitarbeiter des Unternehmens oder im Bedarfsfall ein Produktrückruf. „Gleichzeitig übernimmt der Chatbot einen Großteil der Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden – vom Erstkontakt bis zum Abschluss des Reklamationsprozesses – und entlastet so die Mitarbeitenden.“
Effizientes Qualitätsmanagement in der Praxis: Verbraucherwünsche und intelligente Temperaturführung
Lena El Sayed von der Gesellschaft für Bioanalytik beleuchtete die komplexen Erwartungen der Verbraucher an Lebensmittelqualität und die daraus resultierenden Anforderungen an das Qualitätsmanagement. Sie zeigte auf, dass Konsumentinnen und Konsumenten nicht nur sichere und hochwertige Produkte erwarten, sondern oft auch Ansprüche stellen, die über den direkten Einflussbereich der Qualitätssicherung hinausgehen – etwa Fragen zu Verpackung, Lieferketten oder Nachhaltigkeit. El Sayed betonte, dass Unternehmen diese Erwartungen ernst nehmen müssten, um Vertrauen aufzubauen und Kundenzufriedenheit zu sichern.
Christian Podeswa von Testo Saveris zeigte, wie moderne Temperaturüberwachungssysteme nicht nur die Produktsicherheit erhöhen, sondern auch Effizienz und Nachhaltigkeit fördern. Er demonstrierte, wie kritische Produkte sowohl im Kern als auch an der Oberfläche gezielt überwacht werden – unterstützt durch Simulationen, die vorhersehbare Schwachstellen erkennen und Fehlalarme reduzieren.
Neue Regularien in der Schädlingsbekämpfung
Marcus Tensfeldt, Hentschke + Sawatzki, erläuterte neue Anforderungen in der Schädlingsbekämpfung, insbesondere das Ende der befallsunabhängigen Dauerbeköderung ab dem 30. Juni 2026. Unternehmen müssten sich frühzeitig auf die geänderten Regularien einstellen, um Compliance und Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten.
Das dti-Qualitätsforum: aus der Branche für die Branche
Das dti-Qualitätsforum lädt jährlich Expertinnen und Experten aus Qualitätsmanagement, Produktentwicklung und Lebensmittelrecht zu einer eintägigen Fachkonferenz. Kuratiert wird das Programm vom Ausschuss für Qualitätsmanagement des dti, dessen Mitglieder auf dem Qualitätsforum auch die Anmoderation der Referentinnen und Referenten übernehmen.
Das nächste dti-Qualitätsforum findet Ende 2026 statt.
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Das Deutsche Tiefkühlinstitut e.V. (dti) ist die Interessenvertretung und Kommunikationsplattform der Tiefkühlwirtschaft in Deutschland und vertritt als Spitzenverband über 150 überwiegend mittelständische Unternehmen aus allen Teilen der Tiefkühlkette, von Industrie über Logistik und Handel. Die Tiefkühlwirtschaft, mit einem Gesamtumsatz von über 22 Milliarden Euro einer der wichtigsten Zweige der Lebensmittelindustrie, versorgt täglich rund 83 Millionen Menschen in Deutschland mit frischen, tiefgekühlten Lebensmitteln und ist ein wichtiger Lieferant für den Handel, die Gastronomie und die Gemeinschaftsverpflegung. 2024 stieg der Pro-Kopf-Verbrauch von Tiefkühlprodukten in Deutschland laut dti-Absatzstatistik auf einen Rekordwert von 50 kg. Der Gesamtabsatz lag 2024 bei über vier Millionen Tonnen.
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